GridAnalysis – Stadtwerke Saarlouis erproben erstmals KI-gestützten Betrieb urbaner Verteilnetze

Gemeinsam mit Konsortialpartnern aus Wissenschaft und Industrie erproben die Stadtwerke Saarlouis GmbH erstmals den KI-unterstützten Netzbetrieb in der Niederspannung. Im Rahmen des vom BMWi geförderten Forschungsprojekts „GridAnalysis“ werden dabei derzeit neue Modelle und Methoden zur Simulation von Stromnetzen evaluieret, die die klassische Netzberechnung mit neuen Verfahren künstlicher Intelligenz kombinieren. Ziel ist es, so viel Intelligenz wie möglich in die Ertüchtigung der Stromnetze einzubringen, um Investitionen in den teuren Netzausbau auf ein Minimum zu reduzieren. Denn es erfordert viel Zeit und hohe Investitionen, die Netze für die Energiewende fit zu machen.

Der Energiewende geschuldet
Die Dekarbonisierung des Stromsektors – Ausbau und Integration von dezentralen erneuerbaren Energiequellen, variable Lasten sowie der durch die Elektrifizierung der Sektoren Verkehr und Wärme steigende Stromverbrauch – bedingt eine aufwendige Anpassung der Netze. Dabei gilt es, die zunehmenden Schwankungen in der Erzeugung wie in der Nachfrage optimal auszugleichen. Davon besonders betroffen sind die Netze in der Niederspannung, wo sich 90 Prozent der Energiewende abspielen.

An der Schnittstelle zu Haushalten und gewerblichen Verbrauchern nehmen die Stadtwerke vor Ort durch ihre Nähe zum Kunden, ohne den die Energiewende nicht funktionieren kann, eine Schlüsselrolle ein. So sind diese auch bei der Erprobung eines KI-gestützten Netzbetriebs auf Akzeptanz und die aktive Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger angewiesen.

Das „Nova-Prinzip“
Dass am Ende auch die Energiekosten für die Kunden im Rahmen bleiben, sollten alle Maßnahmen dem „Nova-Prinzip“ folgen (Netz-Optimierung vor Verstärkung vor Ausbau). Das heißt, zunächst müssen alle Möglichkeiten in puncto Netzoptimierung, netzdienliches Verhalten und bei Bedarf auch in Bezug auf Regelungseingriffe bei Einspeise- und Bezugsanlagen ausgereizt sein. Danach erst sollten die Netze physisch „in Kupfer und Aluminium“ ausgebaut werden. Fernziel ist es, die Energiewende uneingeschränkt vorantreiben zu können, ohne unannehmbare Kompromisse in Sachen Stabilität der Netze und Versorgungssicherheit eingehen zu müssen.

KI beendet „Blindflug in der Niederspannung“
Der Einsatz künstlicher Intelligenz macht hier also den angestrebten stetigen Zubau von Erzeugungsanlagen und Verbrauchern in den Niederspannungsnetzen prinzipiell möglich. Denn durch künstliche Intelligenz sind Netzbetreiber in der Lage, mit einem minimalen Einsatz an Technik eine „hinreichend genaue Bewertung des Netzzustandes“ vorzunehmen. Künstliche Intelligenz, kombiniert mit einem Mindestmaß an im Feld eingesetzter Messtechnik, beendet „den Blindflug in der Niederspannung“. Das bedeutet, dass Betreiber nicht mehr darauf angewiesen sind, sich auf Erfahrungswerte in Kombination mit klassischen Schleppzeiger-Messgeräten zu verlassen. KI-unterstützt können sie jetzt auch prädiktiv eine Netzzustandsanalyse algorithmisch mit relativ wenig Aufwand ausreichend präzise bestimmen, das heißt, samt Prognosen drohender Netzengpässe.

Technologische Erfordernisse
Um die künftigen Anforderungen an die Netz-Infrastruktur unter diesen Vorzeichen realistisch abbilden zu können, sind eine Digitalisierung, Flexibilisierung und Automatisierung der Verteilnetzbetriebsführung zwingend erforderlich. Und um eine KI erfolgreich im Netzbetrieb einsetzen zu können, brauchen Stadtwerke eine harmonisierte und standardisierte Datengrundlage, eine „Single Source of Truth“ (SSOT). Dabei handelt es sich um eine zentrale Datenbank für sämtliche relevanten Netzdaten, die die Sensoren bzw. Messstellen aller Stationen eines Versorgungsgebietes sammeln.

Rolle der eigenen Glasfaser-Infrastruktur
Mit Blick auf eine sichere Übertragung aller Daten setzen die Stadtwerke Saarlouis bereits seit 2009 auf ein eigenes flächendeckendes, redundant ausgelegtes Glasfasernetz. Da es sich dabei um eigene Infrastruktur handelt, die ohne Verbindung zum Internet ausschließlich von den Stadtwerken Saarlouis selbst genutzt wird, gilt das Netz als hochsicher gegenüber Hacker-Angriffen und zudem als ausfallsicher. Wie perfekt ihr Glasfasernetz bereits in der Stromversorgung funktioniert, belegt der entsprechende SAIDI-Wert (System Average Interruption Duration Index) der Saarlouiser. Während der Strom im Jahr 2022 in Deutschland im Schnitt über zwölf Minuten pro Letztverbraucher ausgefallen ist, betrug die vergleichbare Ausfallzeit in Saarlouis lediglich 0,7 Minuten.

Auf dem Bild: Die Messungen der Netzzustandsdaten in digitalen Ortsnetzstationen ermöglichen die Visualisierung von Parametern wie Strom, Spannung und Leistung im gesicherten Netzwerk des Versorgers und sind der erste Schritt, um den „Blindflug in der Niederspannung“ zu beenden.