Wissenswertes rund um die Gasversorgung
Der russische Überfall auf die Ukraine hat die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energieimporten in den Fokus gerückt. Vor allem durch die Abhängigkeit der deutschen Gasversorgung von russischem Gas und die Sorge vor einer Gasmangellage stellen sich verschiedene Fragen.
Vor dem Hintergrund der Bedeutung der Gasversorgung in der Europäischen Union wurde auf EU-Ebene im Jahr 2017 die Verordnung 994/2010 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung (SoS-VO) verabschiedet, die zuletzt im Jahre 2017 durch die Verordnung (EU) 2017/1938 geändert wurde. Das nationale Recht wurde mit den Vorgaben der EU-Verordnung harmonisiert und weitere Vorgaben – wie z. B. die Gewährleistung von Solidaritätsmaßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten – wurden und werden umgesetzt. Auf dieser Basis wurde der sogenannte Notfallplan Gas geschaffen, der zuletzt in September 2019 aktualisiert wurde. Hier sind wesentliche Fragen für den Fall einer Gasmangellage geregelt. Ausgangspunkt bildet hierbei die Ausrufung verschiedener Krisenstufen.
Notfallplan Gas: www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/notfallplan-gas-bundesrepublik-deutschland.pdf
Bei einer Gasmangel-Lage greifen nach Notfallplan Gas drei Krisenstufen.
1. Frühwarnstufe: Sie wird ausgerufen, wenn zum einen konkrete, ernst zu nehmende und zuverlässige Hinweise auf ein mögliches Ereignis vorliegen, das wahrscheinlich zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage und das zum anderen wahrscheinlich zur Auslösung der Alarm- bzw. der Notfallstufe führt. In dieser Stufe läuft alles wie zuvor - nur findet gezielt mehr Kommunikation zwischen allen Marktakteuren, Regierung, Bundesnetzagentur und Gasnetzbetreibern, insbesondere in einem Krisenteam statt, um die Entwicklung der Lage eng zu monitoren.
2. Alarmstufe: Ob Störung oder außergewöhnlich hohe Gas-Nachfrage: Sobald sich die Versorgungslage erheblich verschlechtert, greift die Alarmstufe. Die energiewirtschaftlichen Akteure sind auch hier noch in der Lage, die Gasversorgung mit eigenen Maßnahmen sicherzustellen. Gashändler und -lieferanten nutzen hierzu Flexibilitätspotenziale auf der Beschaffungsseite und bemühen sich bei Lieferausfall zeitnah um Ersatzmengen. Netzbetreiber stimmen sich untereinander ab und optimieren Lastflüsse im Gasnetz. Maßnahmen von Gasversorgungsnetzbetreibern sind unabhängig von den Krisenstufen möglich. Aber auch in dieser Phase könnten z. B. auch Netzbetreiber Letztverbraucher auffordern, ihren Gasverbrauch zu reduzieren – vorausgesetzt es bestehen entsprechende Vereinbarungen zwischen Netzbetreiber und Letztverbrauchern. Bei Letzteren handelt es sich in der Regel nicht um private Haushalte, sondern um Industrie oder Großgewerbe. In der ersten und zweiten Stufe sind also die Unternehmen der Energiewirtschaft die zentralen Akteure und nutzen mit netz- und marktbezogenen Maßnahmen die Instrumente, die ihnen das Energiewirtschaftsgesetz an die Hand gibt.
3. Notfallstufe: Ist nicht genug Gas zur Deckung der Gasnachfrage vorhanden, ist dies dauerhaft so und stellt die Bundesregierung diese Situation in einer Rechtsverordnung fest, ist die dritte Phase erreicht. In der sog. Notfallstufe tritt die Bundesnetzagentur als weiterer Akteur der Gasversorgung mit auf den Plan. In ihrer Rolle als Bundeslastverteiler ergreift sie hoheitliche Maßnahmen, um die Versorgung mit Gas zu sichern – insbesondere die Versorgung der geschützten Kundengruppen (siehe unten). Hierzu kann die Bundesnetzagentur über den Verbrauch entscheiden und Maßnahmen gegenüber großen Gaskunden, Gasversorgern und Gasnetzbetreibern verfügen.
Technische Fragen zur Gasversorgung
Netze und Speicher sind die Infrastruktur für unsere Gasversorgung. Bürger:innen sowie Wirtschaft werden über insgesamt 540.000 Kilometer Leitungen mit Gas versorgt. Gasnetze werden unterschieden in Gasfernleitungsnetze und Gasverteilernetze.
Die insgesamt 40.000 Kilometer langen Fernleitungsnetze transportieren das Gas von den Erdgasfeldern in der Nordsee, in Osteuropa und im Nahen Osten nach Deutschland - also über lange Distanzen. Sie sind quasi die Autobahnen der Gasversorgung. Die Fernleitungen haben einen Durchmesser von bis zu 1,4 Metern und arbeiten mit einem Druck bis zu 84 bar.
Die engmaschigen, knapp 500.000 Kilometer langen Verteilnetze transportieren das Gas wiederum von den Fernleitungen zu allen Verbraucher:innen. Um im Bild zu bleiben: Verteilnetze sind quasi alle Verkehrswege - von den Landstraßen bis zur kleinsten Gasse. Privathaushalte sind also an die Verteilnetze angeschlossen. Verteilnetze unterscheiden sich noch einmal in Netze, die im Mitteldruck (100 mbar bis 1 bar) und jene, die im Niederdruck (22 mbar bis 100 mbar), arbeiten. Ziel der Netzbetreiber ist immer, diesen Druck auch zu halten. Im Vergleich zu Stromnetzen, die die Spannung in einem engen Korridor von 50 hz stabilisieren müssen, haben die Betreiber von Gasnetzen jedoch etwas mehr Spielraum.
Ergänzt werden die Netze durch Speicher. Die großen unterirdischen Speicher werden eingesetzt, um den Druck in den Netzen stabil und damit die Versorgung sicher zu halten. Ein Beispiel: Im Sommer, wenn Gasverbrauch und -nachfrage sinken, wird Gas in die Speicher gefüllt. Im Winter, wenn Gasverbrauch und -nachfrage steigen, wird Gas aus den Speichern zum Heizen etc. entnommen. Neben den unterschiedlichen Aufgaben von Fernleitungs- und Verteilnetzen unterscheiden sie sich auch in der Steuerung. Das hat Auswirkungen auf die Aufgaben der Versorgung (s. nächste Frage).
Grundsätzlich muss man zwischen druck- und mengengesteuerten Netzen unterscheiden.
Fernleitungsnetzen sind hingegen mengengesteuert. Die Betreiber der Fernleitungsnetze können Schwankungen bei Einspeisung und Ausspeisung ausgleichen. So kann der Netzbetreiber den Druck variieren und die Leitung quasi als Puffer bzw. Speicher nutzen, um Ein- und Ausspeisungen auszugleichen.
Verteilnetze sind meist druckgesteuert. In normalen Zeiten hält der Netzbetreiber i.d.R. den Druck über seine Regelanlagen konstant – und zwar unabhängig vom Verbrauch, der z.B. mit der Tages- oder Jahreszeit etc. variiert. Das Problem bei einem Gaslieferstopp: Der Gas-Nachschub fehlt. Sprich: Die Kunden:innen verbrauchen genau so viel Gas wie immer, jedoch könnte nicht mehr genug bzw. kein Gas nachfließen. Die Folge: Der Druck im Netz würde absinken.
Dabei gibt es zwar grundsätzlich gewisse Spielräume für die Netzbetreiber, jedoch technisch eine klare Mindestdruckgrenze: Sie darf nicht unterschritten werden. Würde das passieren, würden sich die Geräte und Anlagen der Kunden:innen automatisch abschalten bzw. ausfallen – und zwar sowohl bei der Industrie als auch bei geschützten Kunden:innen, wie den Privathaushalten. Um genau das zu verhindern und die Versorgung der geschützten Kunden:innen auch bei einer Gasmangellage bestmöglich zu sichern, dürfen und müssen Netzbetreiber bei Bedarf eigene Maßnahmen für den sicheren und zuverlässigen Betrieb der Gasnetze ergreifen: z.B. Speicher oder vertragliche Abschaltungen bis hin zu Abschaltungen der Industrie. In der Notfallstufe kann die Bundesnetzagentur als Bundeslastverteiler zusätzlich hoheitliche Maßnahmen per Allgemeinverfügung oder gegenüber Großverbrauchern wie z. B. der Industrie auch per Individualverfügung anordnen. Ziel ist, die Menge an Gas einzusparen, die nicht mehr über die vorgelagerten Netze nachgeschoben werden kann, so dass die Mindestdruckgrenze nicht unterschritten wird.
Nein, einzelne Haushalte können technisch nicht fernabgeschaltet werden. Ein Netzbetreiber kann einzelne Haushalte in seinem Gebiet nicht aus der Ferne abschalten. Technisch möglich wäre lediglich, den Druck aus der Ferne insgesamt zu reduzieren oder einzelne Stränge vom Netz abzuschalten – zum Beispiel ein Industriegebiet.
Wenn es zu wenig Gas gibt, ergreifen die Netzbetreiber im ersten Schritt ohnehin netz- und marktbezogene Maßnahmen, um eine Gefährdung oder Störung der Gasversorgung zu beseitigen. Dazu gehört, dass Netzbetreiber sich untereinander abstimmen und Lastflüsse im Gasnetz optimieren.
Erst wenn diese milderen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig greifen, sind Netzbetreiber verpflichtet und berechtigt, den Gasfluss für einen sicheren und zuverlässigen Betrieb der Netze anzupassen. Das heißt, es könnte in diesem Rahmen dazu kommen, dass Netzbetreiber den Gasbezug von Kunden:innen reduzieren oder gar unterbrechen müssen. Abschaltungen wären das letzte Mittel. Dabei gilt: Privathaushalte und soziale Dienste, wie Krankenhäuser und Pflegeheime, sind geschützte Kunden:innen. Sie werden bei einer Gasmangellage vorrangig vor der Industrie versorgt.
Von Abschaltungen wären zunächst also die nicht-geschützten Kunden:innen betroffen: konkret die Industrie (im Fachjargon: RLM-Kunden:innen). Sie werden vom Netzbetreiber aufgefordert, ihren Verbrauch gemäß den Vorgaben zu reduzieren. Erst wenn die Abschaltung der nicht-geschützten Kunden:innen die Gasmangellage nicht lindert, kommt es zu weiteren Maßnahmen, die auch die Minderung des Gasbezugs bei oder gar die Abschaltung von geschützten Kunden:innen umfassen könnte.
Technisch erfolgt eine Abschaltung der Kunden:innen, indem der Netzbetreiber einzelne Netzteile via Streckenschieber oder Netzstationen trennt. Da sich so aber meist nur einzelne Stränge mit vielen Kunden:innen vom Netz abschalten ließen, würden die Netzbetreiber eher die Industrie auffordern, ihren Verbrauch zu reduzieren und so die Versorgung der Privathaushalte zu sichern. Alternativ könnte der Netzbetreiber auch den Druck in einem Netzgebiet deutlich reduzieren, so dass sich durch Selbstabschaltung einzelner Verbrauchsgeräten das Netz selbst stabilisiert. Zuvor muss der Netzbetreiber jedoch die Kunden:innen informieren.
Rationierungen für Haushalte sind technisch kaum möglich (Details s. Frage 5). Wenn nicht genügend Gas für alle da ist, muss der Netzbetreiber handeln bzw. in der Notfallstufe kann zusätzlich die Bundesnetzagentur handeln.
Den Ausschlag gibt zunächst die Netztechnik: Abschaltungen sind die letzten Mittel, wenn nicht mehr genügend Gas für alle Anwendungen vorhanden ist und die Versorgung in Gänze gefährdet ist. Dabei gilt: Zuerst würden große Verbraucher wie die Industrie abgeschaltet. Privathaushalte sind erstmal geschützte Kunden:innen und werden weiter versorgt (s. Frage 3).
Bei Abschaltungen muss der Netzbetreiber abwägen und die Geeignetheit, Sachgerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit etwaiger Maßnahmen im Einzelfall prüfen - auch im Lichte der notwendigen Dauer von Maßnahmen. Eine detaillierte vorgegebene Abschaltreihenfolge gibt es nicht - auch nicht für Industrieunternehmen
Nein. Dieser Ansatz wäre für die Verteilnetzbetreiber schlicht und ergreifend nicht praktikabel. Der Aufwand zur Rationierung wäre nicht einfach nur hoch, sondern nicht zu leisten.
Beispiel Industriekunden: Der Netzbetreiber müsste mehrmals täglich den Schieber an- und abschalten. Das würde auch voraussetzen, dass das Hauptventil öffentlich zugänglich ist, denn eine Abschaltung durch die Netzleitstelle aus der Ferne ist auch bei Industriekunden kaum möglich.
Beispiel Privathaushalte: Hier wären Rationierungen noch komplizierter. Der Netzbetreiber müsste die Hauptabsperreinrichtung aktiv öffnen bzw. schließen. Seine Technik-Trupps müssten dann zum Beispiel jeden Abend ausrücken, um die Ventile über Nacht zu schließen.
Beide Beispiele zeigen, weshalb Gas-Rationierungen kein nützliches und damit kein sinnvolles Instrument sind.
Praktikabler ist der Aufruf des Netzbetreibers an die Kunden:innen, ihren Verbrauch zu reduzieren. Die Schieber könnten offenbleiben. Privathaushalte sollen dann freiwillig ihren Verbrauch reduzieren, sodass insgesamt die Versorgung länger erhalten bliebe. Die Industrie wiederum könnte ihren Produktionsprozess an die vorgegebene, reduzierte Gasmenge anpassen und so einen Beitrag leisten, um die Privathaushalte vor einem Ausfall der Versorgung zu schützen.
Sobald die Ventile der Pipelines geschlossen werden, kommt kein neues Gas mehr nach. Das bereits nach Deutschland transportierte Gas „steht” dann in der Leitung – quasi wie bei einem Speicher. Weil kein Gas mehr nachfließt, zugleich jedoch weiter Gas verbraucht wird, baut sich der Druck in der Leitung langsam ab – sofern die Netzbetreiber keine Gegenmaßnahmen ergreifen.
Insgesamt würde bei einem Lieferstopp der Druck sowohl in den vorgelagerten Netzen der Fernleitungsnetzbetreiber (quasi den Autobahnen) als auch in den nachgelagerten Netzen der Verteilernetzbetreiber (quasi den Land- und Kreisstraßen) langsam zu sinken beginnen.
Deswegen müssen beide Maßnahmen ergreifen. Während Händler die Flexibilitätspotenziale auf der Beschaffungsseite ausschöpfen und sich bei Lieferausfällen um die Beschaffung von Ersatzmengen bemühen, können auch die Netzbetreiber verschiedene Maßnahmen ergreifen: von der engen Abstimmung über die Optimierung der Lastflüsse im Netz bis zum Absenken des Drucks in den Netzen. Abschaltungen sind das letzte Mittel.
Wenn es zu Abschaltungen kommen muss, ist es nicht leicht, die Versorgung wiederherzustellen. Die Netzbetreiber müssten beim Wiederanfahren ihrer Netze verschiedene technische Faktoren berücksichtigen: etwa den Druck oder unterschiedliche Steuerungs- und Sicherungsgeräte, z.B. Absperrventile oder Gasmangelsicherungen in Gasdruckregelgeräten. Daran schließen sich auch die praktischen Möglichkeiten zum Wiederanfahren an: Manche Verbraucher lassen sich automatisch wieder versorgen. Andere müssen manuell von einem Techniker wieder ans Netz genommen werden – sprich: Installateure müssten die Gasanlage des Kunden:in wieder in Betrieb nehmen. Aus diesen Gründen wäre die Zeitspanne, in der die Versorgung wieder wie gewohnt hergestellt werden kann, von Ort zu Ort verschieden und kaum vorab zu bestimmen. Weiterführende Informationen: https://www.dvgw.de/derdvgw/aktuelles/presse/pressematerial/gasversorgung-in-deutschland
Ja. Wenn kein Gas mehr aus Russland ankommt, wären zunächst die Bundesländer/Menschen im Osten und dann im Süden Deutschlands betroffen. Grund sind die Struktur unserer Netze, Hydraulik und die Fließrichtung des Gases: Gas aus Russland fließt vom Osten in den Westen und Süden. LNG-Gas gelangt in der Regel aus den Häfen im europäischen Ausland (z.B. Rotterdam) nach Deutschland.
Bei einem kompletten Lieferstopp wären die Versorgung eingeschränkt - sowohl in den Gebieten mit H-Gas als auch in den Gebieten mit L-Gas.
Zu den Gründen: In Deutschland gibt es zwei Arten von Erdgas und dementsprechend auch zwei getrennte Netze und getrennte Speicher:
- L-Gas in L-Gas-Netzen: Das niederkalorische (low caloric) Gas hat einen vergleichsweise geringen Brennwert und Energiegehalt. Es stammt aus Deutschland und den Niederlanden.
- H-Gas in H-Gas-Netzen: Das hochkalorische (high caloric) Gas hat einen höheren Brennwert und Energiegehalt. Es stammt unter anderem aus Russland und Norwegen.
Theoretisch könnten unsere Leitungen und Netzkomponenten zwar beide Gase transportieren. Praktisch ist das jedoch aus zwei Gründen nicht möglich:
Erstens geben die Geräte und Anlagen zur jeweiligen Gasanwendungen in Häusern, Gewerbe und Industrie den Ausschlag. Sie erfordern jeweils bestimmte brenntechnische Eigenschaften vom Gas und dementsprechend eine Unterscheidung zwischen L-Gas und H-Gas. Ein Industriebetrieb, der H-Gas nutzt, kann also nicht per Knopfdruck auf L-Gas umsteigen.
Zweitens sind wir mitten im Umstieg von L-Gas auf H-Gas bis 2030 (s. https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Vportal/Energie/UmstellungGas/start.html), im Fachjargon: Marktraumumstellung. Dieser Umstieg ist notwendig, weil zum einen die L-Gas-Quellen in Deutschland versiegen. Zum anderen steigt die Erdbebengefahr in den Niederlanden. Groningen, Europas größtes Erdgasvorkommen, muss die L-Gas-Produktion bereits sukzessive herunterfahren. Etwas überspitzt formuliert: Beim L-Gas hat Mutter Natur bereits einen natürlichen Lieferstopp verhängt.
Wie lange die Vorräte in den Speichern halten, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören zum Beispiel die gelieferten ebenso wie die eingespeicherten Gasmengen, die technischen Herausforderungen der Netze beim Gastransport, mögliche Solidaritätsbitten aus anderen EU-Ländern und natürlich der Verbrauch. Dessen Höhe wird ebenfalls von verschiedenen Faktoren beeinflusst: von den Temperaturen bis zum Verhalten aller Verbraucher:innen.
Wenn die Bürger:innen bewusst weniger Gas verbrauchen und z.B. ihre Heizung ein paar Grad nach unten regeln, halten die Gas-Vorräte länger. Gleiches gilt für die Industrie: Betriebe, die ihre Energieeffizienz-Potenziale ausschöpfen oder auf Bitten der Netzbetreiber oder auf Anordnung der Bundesnetzagentur weniger verbrauchen, sorgen ebenfalls dafür, dass die Vorräte in den Speichern länger halten. Ein weiteres Kriterium wäre der Zeitpunkt, zu dem kein Gas aus Russland mehr fließt. Speicher werden grundsätzlich über den Sommer hinweg gefüllt und im Winter geleert. Je früher kein Gas mehr käme, umso schwieriger wäre es, die Speicher zu füllen.
Faustformel für Zeitpunkt und Verbrauch: Je weniger Gas wir im Frühling und Sommer verbrauchen, desto besser unsere Lage im Winter.
Theoretisch bzw. mathematisch könnte Deutschland sich bei vollen Speichern und einem Verbrauch auf mittleren Jahresniveau einige Monaten allein aus den Speichern versorgen. Praktisch bzw. physikalisch ist eine belastbare und verlässliche Prognose wegen der Vielzahl an Variablen nicht möglich. Definitiv lässt sich jedoch sagen, dass die deutschen Gasspeicher einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa leisten und helfen würden, die Folgen eines Lieferstopps abzumildern.
Das Speichervolumen besteht aus dem sogenannten Arbeits- und Kissengas. Das Arbeitsgas ist für den Verbrauch bestimmt. Es wird also ein- und ausgespeichert und macht das Gros des Speichervolumens aus. Das sogenannte Kissengas hat einen deutlich kleineren Anteil am Speichervolumen, muss allerdings permanent im Speicher bleiben: Als Puffer sichert Kissengas nämlich konstant den physikalisch notwendigen Mindest-Druck im Speicher, wodurch es technisch möglich ist, Gas ein- oder ausspeichern zu können.
Deswegen brauchen Betreiber also stets selbst diesen kleinen Puffer an Kissengas in ihrem Speicher. Um abseits des Puffers die vorhandenen Speichervolumina optimal zu nutzen, gelten nun jedoch bundesgesetzlichvorgegebene Mindestfüllstände: Am 1. Oktober eines Jahres sollen die Speicher zu 80 Prozent, am 1. November zu 90 Prozent und am 1. Februar zu 40 Prozent gefüllt sein. Eine vergleichbare Verordnung wird auch auf EU-Ebene entwickelt. Fazit: Das Volumen der Speicher wird also bereits optimal genutzt.
23 Milliarden Kubikmeter Fassungsvolumen der Speicher auf der einen Seite und ein Jahresverbrauch von 86,5 Milliarden Kubikmeter (Quelle: Statista 2020) auf der anderen Seite.
Zur Beantwortung der Frage entscheidend ist, wieviel Erdgas aus anderen Importländern zur Verfügung steht und wie hoch der Gasverbrauch, also die Nachfrage von Privathaushalten und Industrie in Deutschland ist. Privathaushalte machen im Durchschnitt 31 Prozent unseres Gasverbrauchs aus– insbesondere fürs Heizen. Deshalb schwankt die Nachfrage über die Jahreszeiten stark: Im Sommer verbrauchen Privathaushalte wenig, im Winter naturgemäß viel.
In der kalten Jahreszeit fließen gut zwei Drittel unseres gesamten Gasbedarfs durch die Leitungen. Dementsprechend findet sich in den Händen der Verbraucher:innen auch der stärkste Hebel: Sie können die Folgen eines Gasembargos oder -lieferstopps erheblich mildern, wenn sie freiwillig ihren Verbrauch reduzieren. Jeder eingesparte Kubikmeter Gas hilft.
Unsere Stromversorgung beruht auf unterschiedlichen erneuerbaren sowie konventionellen Energieträgern. Gaskraftwerke hatten in Deutschland 2021 einen Anteil von rund 15 Prozent an der gesamten Bruttostromerzeugung.
Erste Analysen mit Kurzfristperspektive zeigen, dass lediglich eine kleine Menge an Gas für Gaskraftwerke benötigt würde, die aufgrund ihrer Standorte im Hinblick auf die Systemsicherheit in den Stromnetzen als systemrelevant gelten. Diese genießen aufgrund ihrer Bedeutung für die Stromversorgung auch einen besonderen Status und würden in der Notfallstufe erst als allerletzte Handlungsoption des Bundeslastverteilers (BNetzA) im Gasbezug reduziert. Insofern stellen bereits die Regularien, die in dieser Krisensituation greifen, sicher, dass für die Stromversorgung abstrakte Gefahren aus einer Gasmangellage auf das absolute Minimum reduziert werden.
Die Bundesregierung plant für den Fall einer Gefährdung des Gasversorgungssystems, den Anteil von Gaskraftwerken an der Stromerzeugung möglichst zu reduzieren und auf andere verfügbare Energieträger auszuweichen, um mehr Gas für andere Verwendungen verfügbar zu haben. Ein BMWKGesetzentwurf sieht vor, den Betrieb von Gaskraftwerke deutlich zu reduzieren. Zu diesem Zweck hat sie das „Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor im Fall einer drohenden Gasmangellage durch Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften“ (Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz –EKBG) entworfen.
Der Gesetzentwurf ist im parlamentarischen Verfahren, das bis zur Sommerpause 2022 abgeschlossen sein soll.
Flüssiggas (LNG: Liquefied natural gas) muss in gasförmiges Erdgas umgewandelt werden. Dafür braucht es bestimmte Anlagen: LNG-Terminals erwärmen und verdichten das Flüssiggas. So bereiten sie Flüssiggas zu Erdgas auf. Im Anschluss wird das Gas in die Fernleitungsnetze für herkömmliches Erdgas eingespeist. An den Terminals kann das LNG auch auf kleinere Schiffe, Güterwaggons oder Lastwagen verladen werden.
Weil der Bau von stationären LNG-Terminals Zeit braucht, beabsichtigt die Bundesregierung vier schwimmende LNG-Terminals als kurzfristig verfügbare Alternative zu chartern. Spezialschiffe können das LNG von Tankern aufnehmen, sodass es an Bord dieser sogenannten Floating Storage and Regasification Units (FSRU) in Gas umgewandelt werden kann.
In Europa gibt es aktuell 37 LNG-Terminals, davon 26 in den EU-Mitgliedsländern. Deutschland hat bisher kein eigenes LNG-Terminal. Die Bundesregierung plant den Bau von eigenen deutschen Terminals und schwimmenden Anlagen. Letztere sollen zusammen auf eine Kapazität von bis zu 27 Milliarden Kubikmetern Gas kommen. Das würde ausreichen, einen erheblichen Teil der bisherigen russischen Erdgaslieferungen zu ersetzen.
Deutschland plant nun konkret den Bau von zwei stationären LNG-Terminals in Brunsbüttel und Stade. Zudem sollen mindestens vier schwimmende Anlagen an der Nordseeküste entstehen: eines soll noch in 2022 in Wilhelmshaven und ein weiteres in 2023 Brunsbüttel ans Netz gehen. Zwei weitere FSRU-Anlagen sollen folgen. Als Standorte sind Stade, Rostock, Hamburg und Eemshaven in den Niederlanden im Gespräch.
Bei dem geplanten Floating-LNG-Terminal in Wilhelmshaven ist die Anbindungsleitung zum Gasnetz mit 30 km relativ kurz. Bereits Ende 2022 soll der Anschluss an das europäische Gasnetz fertig sein. Wenn das klappt, kann der LNG-Import bereits Anfang 2023 starten. Die Arbeiten an den rechtlichen Grundlagen laufen parallel – sowohl zur Errichtung und Inbetriebnahme der LNGTerminals als auch zur Beschleunigung von Vergabeverfahren.
Wie können Privathaushalte Gas einsparen?
Wichtig ist, sich zunächst einen Überblick über den Gasverbrauch zu verschaffen. Hierfür eignen sich Online-Energiechecks. Auch der Heizspiegel (www.heizspiegel.de), dessen Partner und Unterstützer der VKU ist, bietet eine erste Orientierungshilfe. Tipps und Maßnahmen bietet auch die „80 Millionen gemeinsam für Energiewechsel“- Kampagne des BMWK, die der VKU unterstützt.
Die Stadtwerke und kommunalen Energieversorger selbst unterstützen Verbraucher:innen natürlich ebenfalls: von niedrigschwelligen Online-Energiechecks und umfassenden Beratungsleistungen. Es gibt ein paar einfache und schnell umsetzbare Maßnahmen für den Einstieg ins Energiesparen. Sie zielen darauf ab, das eigene Verhalten zu ändern und so den Verbrauch zu reduzieren.
Dazu gehören zum Beispiel:
- Stoßlüften
- Raumtemperatur um 1-2 Grad abzusenken
- Dichtungen von Fenstern und Außentüren überprüfen
- Heizung regelmäßig warten lassen
- auf die richtige Heizungseinstellung achten: Nachtabsenkung und die Heizkurve richtig einstellen lassen, insbesondere bei älteren Gebäuden mit überdimensionierten Heizkörpern.
Etwas aufwändiger, aber wirksam sind die Maßnahmen auf fortgeschrittenem Level.
Dazu gehören:
- Thermografie: Eigentümer können ihr Haus auch von Energieberatern mittels Thermografie prüfen lassen. Dabei wird ein Wärmebild erstellt, das Schwachstellen in der Gebäudehülle offenlegt
- Hydraulischer Abgleich: So wird ermittelt, ob sich gerade in größeren Gebäuden die Wärme gleichmäßig verteilt oder es Potenzial zur Optimierung gibt. Unter bestimmten Umständen gibt es dafür auch eine Förderung über die „Bundesförderung für effiziente Gebäude – Einzelmaßnahmen“
- Alternativen zur Gasheizung: Mittelfristig sollten Haushaltskunden sich mit der Frage beschäftigen, wie sie ihr Gebäude künftig anders beheizen können. Zu den Alternativen zählen unter anderem eine Wärmepumpe (s. Frage 2) oder Anschluss an ein (Fern-)Wärmenetz.
Die eine, allgemein gültige Alternative gibt es nicht. Welche Alternativen sinnvoll sind, hängt vom Gebäude selbst ab – zum Beispiel von Faktoren wie Sanierungsmöglichkeiten oder PV-Anlagen etc. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Denn die Bundesregierung plant ohnehin, ab dem 1. Januar 2024 nur noch neue Heizungen mit einem erneuerbaren Anteil von 65 Prozent zuzulassen.
Da bei den Planungen zum Umstieg jedoch eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigt werden müssen, ist es sinnvoll, sich fachmännische Hilfe zu holen. Es lohnt sich, zuerst eine professionelle Energieberatung durchführen zu lassen -zum Beispiel bei seinem Stadtwerk / kommunalen Energieversorger. Das wird auch von der Bundesregierung über die „Bundesförderung für Energieberatung für Wohngebäude“ gefördert.
Zum Ablauf einer Energieberatung: Im ersten Schritt werden Gebäudehülle und Anlagentechnik, inkl. eventuell vorhandener erneuerbarer Anlagen, geprüft. Im zweiten Schritt erstellt der Energieberater für den Eigentümer einen Bericht und schlägt Handlungsoptionen vor - für eine schrittweise Sanierung über einen längeren Zeitraum oder auch für eine Gesamtsanierung “in einem Abwasch” zu einem Effizienzhaus. Auch bei der Umsetzung besteht unter Umständen die Möglichkeit, eine Förderung zu bekommen (“Bundesförderung effiziente Gebäude”). Energieberatung zahlt sich insofern noch mehr aus, als dass der Koalitionsvertrag der Ampel-Bundesregierung vorsieht, dass ab 01.01.2024 bei wesentlichen Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen bei Bestandsgebäuden die auszutauschenden Teile dem Effienzhaus-70-Standard entsprechen sollen.
Das hängt von der Situation vor Ort ab. Es gibt zwei zentrale Punkte.
Erste Voraussetzung für einen Anschluss ist natürlich, dass überhaupt ein Fernwärmenetz vorhanden ist. Infrastrukturen der Daseinsvorsorge sind langlebig. Sie werden für Generationen gebaut. Und es sind Maßanfertigungen: optimal zugeschnitten auf die Situation vor Ort. Eine neue Leitung lässt sich nicht auf Knopfdruck verlegen. Sofern ein Fernwärmenetz vor Ort ist, ist ein kurzfristiger Anschluss möglich.
Zweite Voraussetzung sind die gesetzlichen Anforderungen, die erfüllt sein müssen, um einen Anschluss an ein Fernwärmenetz zu bekommen. Der springende Punkt ist die Nutzungs- und Eigentümerstruktur. Im Kern gilt: Für Eigentümer:innen, die ihr Haus ans Fernwärmenetz anschließen möchten, ist es leichter als für Eigentümer:innen, die ihre Mieter:innen ans Fernwärmenetz anschließen wollen.
Bei Mietswohnungen muss man das Mietrecht in Kombination mit der Wärmelieferverordnung beachten. Ein Anschluss an die Fernwärme wäre ein Umstieg von der Eigenversorgung auf gewerbliche Wärmelieferung - während das Mietverhältnis natürlich weiterläuft. Das wird klar geregelt. Zentrales Hemmnis ist der sogenannte Kostenvergleich bzw. das Gebot der Kostenneutralität. Die Kosten der Wärmelieferung durch Fernwärme dürfen die Kosten der Eigenversorgung mit (Raum-)Wärme oder Warmwasser nicht überschreiten. Dieser Grundsatz vom Gesetzgeber soll Mieter:innen vor Warmmietensteigerungen schützen. Wenn die Kosten bei Fernwärme höher wären, dürften sie nicht als Betriebskosten an die Mieter:innen weitergegeben werden.
Der Knackpunkt: Die Berechnungsmethodik des Kostenvergleichs stützt sich auf die letzten drei Abrechnungszeiträume. Doch diese Zeiträume berücksichtigen natürlich nicht, dass sich nun im Jahr 2022 wesentliche Variablen für die Kalkulation - Beispiel: Ölembargo oder Preissteigerungen bei Gas – enorm verändert haben. Ohne Kostenneutralität können die Vermieter:innen die Kosten für die Fernwärmeversorgung jedoch nicht über die Betriebskosten abrechnen. Im Kern werden Mietrecht und Wärmelieferverordnungen also den architektonischen Veränderungen der energiepolitischen Zeitenwende von Februar 2022 und ihren Implikationen für Preise und Versorgungssicherheit gerecht. Eigentümer:innen fehlt der Anreiz. Der Kostenvergleich und die gebotene Kostenneutralität führen also in der Praxis dazu, dass sich ein Anschluss ans Fernwärmenetz bei Mietswohnungen also wirtschaftlich in der Regel nicht lohnt. Die Folge: Die Risiken verbleiben in erster Linie bei den Mieter:innen.
Einfacher ist es für Eigentümer, die ihre eigene Immobilie bewohnen. Sie müssten sich an den Netzbetreiber wenden. Die Kosten für den Anschluss variieren, weil sie abhängig von Faktoren wie Leitungslängen oder Anlagenleistung sind. Ob eine Förderung möglich ist, entscheidet sich unter anderem am Anteil der erneuerbaren Energien an der Fernwärme. Also, ob es sich um grüne Wärme handelt. Mieter hingegen müssten ihren Wunsch natürlich zunächst an ihre Vermieter bzw. die Eigentümergemeinschaft tragen.
Ist jedoch kein Fernwärmenetz vor Ort vorhanden, dann ist kurzfristig kein Anschluss möglich.
Falls Sie sich nicht sicher sind, ob Sie Gas beziehen oder wie bei Ihnen geheizt wird, hilft ein Blick in die Nebenkostenabrechnung oder fragen Sie die Hausverwaltung.
Höchstwahrscheinlich werden die Energiepreise weiter steigen. Wer eine wahrscheinliche, hohe Nachzahlung vermeiden will, sollte, wenn möglich, dringend seine Abschlagszahlungen, also seine Betriebs-/Nebenkostenvorauszahlungen, erhöhen.
Das empfehlen auch Mietvereine. Vermieter:innen wiederum können ihren Mieter:innen eine Erhöhung der Abschläge nur empfehlen. Das Heft des Handelns haben also die Mieter:innen selbst in der Hand.
Handlungsempfehlungen
Was können Sie jetzt schon tun?
Jede Kilowattstunde Gas, die wir im Sommer einsparen, bedeutet, dass mehr Gas gespeichert werden kann und wir besser durch den nächsten Winter kommen. In der aktuellen Situation sollten Gasverbraucher:innen so viel Energie wie möglich sparen. Energie sparen bedeutet, den Bedarf zu senken. Dazu gehören Kleinigkeiten im Alltag, wie das Absenken der Raumtemperatur, das Nichtbeheizen einzelner Räume oder die Häufigkeit bzw. Dauer des Duschens.
Weitere Informationen und Tipps
Weitere Informationen und Energiespartipps erhalten Sie auch unter www.energiewechsel.de - Energiespartipps des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).